Dieses Jahr zog das Fernweh die EGZ weit über die Schweizer Grenze hinaus ins ehemals abgeschottete Albanien. Ziel war es, die Insektenfauna im traditionell bewirtschafteten und touristisch schlecht erschlossenen Südosten des Landes zu erkunden. Vom 22. – 29. April 2017 führte die Tour unter Leitung von Michael Greeff und André Rey ins obere Vjosa-Tal, in den Prespa-Nationalpark und zum Ohridsee.
Tag 1. Tirana – Nationalpark Divjaka Karavasta – Gjirokastra: Nach einer individuellen Anreise und ersten Nacht im Hotel Villa Tafaj fuhr die Gruppe mit dem privat gemieteten Bus (Elite Travel DMC) durchs stark zersiedelte Tiraner Umland nach Divjaka an der Küste. Am entomologisch weniger interessanten Strand wurden Krauskopfpelikan, Austernfischer, Grosser Brachvogel, Silber- und Seidenreiher beobachtet. Unterbrochen von mehreren Stopps entlang der Strasse durch Hügel und kleinere Berge wurde am Abend die alte osmanische Stadt Gjirokastra erreicht (Hotel Kalemi 1). Besondere Beobachtungen auf dieser Strecke waren Östliche Hauben-Fangschrecke (Empusa fasciata), Südliche Grille (Eumodicogryllus bordigalensis) oder der Buntbäuchige Grashüpfer (Omocestus rufipes).
Tag 2. Gjirokastra – Përmet: Über der Altstadt von Gjirokastra thront eine Burg, in deren zerfallenden Gemäuern sich eine reiche Flora und Fauna eingenistet hat. Es fanden sich hier Europäischer Halbfinger (Hemidactylus turicus), Zürgelbaum-Schnauzenfalter (Lybitea celtis) und Pfirsichprachtkäfer (Capnodis tenebrionis). Bei der Mittagsrast am Viroit-See wurden Griechische Landschildkröten (Testudo hermanni) und Europäische Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) beobachtet. Highlight des Tages war danach die weite Ebene bei Tepelene, wo die unverbauten Flüsse Drino und Vjosa zusammenfliessen und breite Kiesbänke geschaffen haben. Hier konnten wir unter anderem folgende tolle Arten beobachten: Prachtkieleidechse (Algyroides nigropunctatus), Blindschlange (Typhlops vermicularis), Himmelblauer Steinkleebläuling (Glaucopsyche alexis). Nach einer kurzen Fahrt kamen wir am Abend in Përmet an (Hotel Alvero).
Tag 3. Përmet: Ein Ausflug ins Bënja-Tal und zur Ortschaft Petran führte die Gruppe in eine kleinräumige Landschaft mit mediterranen Wäldern, Weiden, Äckern und dem Fluss Bënja, der eine tiefe Schlucht in den Felsen gegraben hat. Hier beobachteten wir unter anderem Blaumerle, Zaunammer, Rötelschwalbe, Östliche Eidechsennatter (Malpolon insignitus), die Feuerfalterart Lycaena thetis, den Dickkopffalter Erynnis marloyi und die beiden Holzbienenarten Xylocopa valga und Xylocopa iris. Die Aprilsonne brannte schon stark und ein natürliches Thermalbad bot angenehme Erfrischung.
Tag 4. Përmet – Korça: Auf engen, gewundenen Strassen durchs Grenzgebirge zu Griechenland ging die Fahrt weiter nach Korça. Auf kleinen Wiesen unterwegs trafen wir auf Haubenlerche, Dorngrasmücke, Grau- und Zaunammer, sowie die Dickkopffalterart Spialia orbifer und den Gemeinen Scheckenfalter (Melitaea cinxia). Auf der Passhöhe bei Leskovik war der Winter eben erst vorbei und die Fauna und Flora noch wenig entwickelt. Am Abend wurde Korça erreicht, eine grössere Stadt mit schönem alten Kern, die auch „Wiege der albanischen Kultur“ genannt wird.
Tag 5. Korça: Eine Exkursion in den nahen Prespa-Nationalpark führte zu einem grösseren See mit traditioneller Landwirtschaft im angrenzenden Dorf Prespa und extensiv bewirtschafteten Wiesen. Im Uferbereich trafen wir Wendehals, Rotkopfwürger, Seiden- und Drosselrohrsänger, sowie den Östlichen Gesprenkelten Weissling (Euchloe ausonia), den Trauermantel (Nymphalis antiopa) und das Ampfer-Grünwidderchen (Adscita statices) an. Leider konnten die in der Literatur erwähnten Schneitelwälder nicht gefunden werden.
Tag 6. Korça – Ohridsee – Tirana: Der Ohridsee ist einer der ältesten Seen der Welt. Auf einer kleinen Halbinsel bei Piskupat schwärmte die Gruppe aus und fand auf den steilen Hängen Ringelnattern (Natrix natrix persa), Würfelnattern (Natrix tessellata), Fetthennenbläulinge (Scolitantides orion), Kleine Alpenbläulinge (Cupido orsiris) und den Flockenblumenscheckenfalter (Melitaea phoebe). Bei einem letzten Beobachtungsstopp in Bërzhitë führte eine abenteuerliche Hängebrücke über den Fluss zu einem kleinen Dorf mit Obstbäumen, teilweise verlassenen Gärten, kleinen Wegen und Hecken. Hier fanden wir die Weisse Zaunrübe (Bryonia alba), vermissten aber die zugehörige Zaunrüben-Sandbiene (Andrena florea). Dafür fanden wir hier den Griechischen Frosch (Rana graeca), sowie die Östliche Smaragdeidechse (Lacerta viridis) und die Riesen-Smaragdeidechse (Lacerta trilineata). Zurück in Tirana (Hotel Villa Tafai) begleitete die Entomologin Prof. Dr. Anila Paparisto von der Universität Tirana die Gruppe zu einem Abschlussessen, bevor am nächsten Tag die Teilnehmer individuell zurückreisten.
Fazit: Faunistisch konnten viele bei uns seltene Arten beobachtet werden, insbesondere auf Äckern und Weiden, die noch traditionell bewirtschaftet werden. Die Landschaft war zwar im Umland von Tirana oft zersiedelt und sporadisch traf man wilde Mülldeponien an, generell war die Natur aber noch nicht ausgeräumt und die vielen fliessenden Übergänge zwischen Äckern, Weiden und Wäldern und unverbauten Flüsse boten abwechslungsreiche Lebensräume. Auffallend war aber auch, dass die Individuenzahlen pro Art oft sehr gering waren, was vermutlich teilweise auf die starke Beweidung zurückzuführen war. Albanien ist touristisch noch wenig erschlossen, bietet aber eine gute Infrastruktur um individuell das Land zu bereisen. Die Hotels sind meist sauber und preiswert, das Essen ist gut und sehr günstig. Überall in Albanien ist eine Aufbruchsstimmung spürbar und das Land wird vermutlich in den kommenden Jahren wirtschaftlich stark entwickelt werden und sich auch landschaftlich ändern.
Bericht und Artenliste zum herunterladen
Impressionen der EGZ-Exkursion vom 22.04.2017 bis 29.04.2017
Fotos: Wilfried Löderbusch, André Rey, Oliver Seitz, Michael Greeff, Paul Kneidl




















































